Innsbruck nimmt Fahrt auf

Die Eisenbahn ist im 19. Jahrhundert Neuland, genau wie ihre Stationen. Auftraggeber und Architekten tasten sich vor und fragen sich: „Was sollte ein Bahnhof zeigen und können?“ Repräsentation und Ästhetik liegen trotz knapper Kassen hoch im Kurs – das fällt beim Blick auf den neuen Innsbrucker Bahnhof ins Auge. Die herrschaftliche, zweigeschossige Halle mit seitlichen Pavillons und einem vorspringenden Portal in der Mitte, Steinbalkonen mit Balustraden, Rundbögen und Arkaden zeigt Selbstbewusstsein und die Ästhetik der italienischen Renaissance. Innsbrucks Bahnhof ist einer der Schönsten der Monarchie!

Bahngäste betreten das 25 Meter lange „Aufnahmegebäude“ des Innsbrucker Südbahnhofs durch ein Portal, wenden sich linkerhand zur Personenkasse und geben rechts ihr Gepäck auf. Die Warteräume „ordnen“ Reisende in erste, zweite und dritte Klasse. Im Aufnahmegebäude befindet sich die Bahnhofs-Restauration. Diesen Platz sollte sie auch 150 Jahre lang behalten. Von der Halle des Aufnahmegebäudes erreichen Bahngäste über Verbindungsgänge die Bahnsteighalle. Deren Zweck – wettergeschützt in den Waggon zu gelangen – wird auffällig aufwändig gelöst durch ein Gebäude mit vier Türmen, Flachkuppeldächern und sogar Dachreitern, die für Belüftung sorgten (Quelle: Pawelka). Der Einstieg ist also erhebend und angenehm. Aber auch die Fahrt. In der „Fern“-Reise zieht die Eisenbahn der Pferdekutsche deutlich davon! Schnelle Postkutschen schaffen Mitte des 19. Jahrhunderts 10 km/h bei einer Tagesleistung von hundert Kilometern. Die Eisenbahn dampft jedoch mit mehr als 35 km/h durch die Landschaft. Kein Wunder, dass viele Menschen von der schaukelnden Kutsche ins eiserne Dampfross umsteigen. Die Verkehrsübergabe der Brennerbahn am 24. August 1867 bringt einen weiteren Zeitgewinn und beschert Innsbruck starken Fahrgastandrang.

Der „Fahrplan für Personenzüge auf der Tiroler Linie“ von 1867 weist aus: Wer in Wien um 9:30 Uhr in den Zug steigt, erreicht tags darauf um 5:27 Innsbruck – 20 Stunden für eine Distanz von fast 500 Kilometern. Der gleiche Zug verlässt um 5:38 in Innsbruck, passiert nach sechs Stunden, um 11:50 Uhr, Bozen und rollt am nächsten Morgen um 5:00 Uhr in Verona ein. Eine Sensation ist geschafft, Länder wachsen zusammen, der Südbahnhof Innsbruck als neue Achse in den Süden entwickelt sich schnell zur Drehscheibe für Menschen und Güter – und es wird eng! Mit den Zügen Innsbruck – Wien – Verona, den neuen Verbindungen von München nach Verona und dem Nahverkehr Innsbruck-Hall und Innsbruck-Jenbach passieren täglich zwölf Züge die Station. (Quelle: Pawelka). 1867, nur neun Jahre nach der Eröffnung, erfordert die Anbindung der Brennerbahn den ersten Umbau. Der Südbahnhof sollte auch in den kommenden Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen.

Innsbruck nimmt Fahrt auf