Architekt Wilhelm Flattich tüftelt und plant

Seiner Rolle als Endstation der Strecke Rosenheim-Innsbruck ist der Südbahnhof spätestens mit der Eröffnung der Brennerbahn entwachsen. Rasch und kostengünstig müssen nun alle Bahnanlagen in der Tiroler Hauptstadt den neuen Anforderungen angepasst werden. Und das sind nicht wenig. Man fordert schnelle und kurze Wege des Publikums zu den Bahnsteigen, gute Erreichbarkeit der Restauration und aller drei Warteräume, Sparsamkeit auch beim Einsatz der Bahnbediensteten, klare Orientierung. Auch die „Technik im Hintergrund“ bedarf einer Neuordnung:

Remise für Reservewaggons, die Anlage für den Güterverkehr mit Wasserstation und Kohleschuppe und schließlich die Anlage für die Werkstätte (Quelle: Pawelka). Wilhelm Flattich, der Architekt und spätere Direktor der Südbahngesellschaft dürfte etliche Stapel an Planrollen ausgebreitet haben – und er tüftelt. Der damals gut Vierzigjährige bringt enorm viel Erfahrung aus Bahnprojekten von Württemberg, Paris und der Schweiz mit. Obwohl er 1869 – 1874 den Wiener Südbahnhof baut, gelingt ihm parallel in Innsbruck ein genialer Wurf. Er selbst führt bescheiden an: „Aus Rücksichten der Ökonomie wurden beim Umbau die bestehenden Gebäude möglichst geschont.“ Einen Seitenhieb auf den Vorgängerbau kann er sich aber nicht verkneifen: „Wie wenig ökonomisch Bauten sind, welche zwar mit billigen, allein den Zwecken nicht vollständig entsprechenden Materialien errichtet werden…“ und meinte damit Holzbauten, die schwer gelitten hatten. Wohlweislich errichtet Flattich die neuen Bahnhöfe der Brenner- und Pustertalbahn gleich aus Stein. Statik hin oder her, der große Geist des Planers äußert sich in der Funktionalität. Eine neue, durchgängige Raumaufteilung von Aufnahmegebäude und Bahnsteighalle gewährleistet, dass nur ein Bediensteter die Ticketschalter, die Gepäckaufgabe und den Zugang zu den Warteräumen kontrollieren kann.

Architekt Wilhelm Flattich rückt erstmals das Wohl der Bahnkunden ins Zentrum! Innenfenster sorgen für mehr Licht. Die Bahnhofsrestauration öffnet sich zur Straße hin. Im Restaurant werden die Räume mit einer Luftheizung gewärmt, damit anstatt der Öfen mehr Platz für Tische bleibt. Es gibt Lokale für Reisende der ersten, zweiten und dritten Klasse. Daran „anstoßend“  getrennte Toilettenräume für Damen und Herren (nur erster und zweiter Klasse), „welche mit Lavoirs und Aborte nach englischem System mit Wasser Zu- und Ableitung eingerichtet sind.“ Elegante Spiegelgewölbe zieren die Speisesäle, ein großes Deckenfenster sorgt auch hier für Licht (Quelle Pawelka, 58). Modernität hält auch in der Küche Einzug. Sie ist nun gelüftet, um Gästen den Küchengeruch zu ersparen, verfügt über eine Abwasch mit laufendem Wasser sowie einen Aufzug aus den Kellerräumen, in denen Wein, Bier und Eis lagern.

Eine weitere Toilette plant Flattich an der Nordseite der Eingangshalle so, dass sie sowohl vom Gehsteig vor der Halle als auch vom Bahnsteig aus „trockenen Fußes“ erreicht werden kann. Innsbruck ist zum Exempel für „multifunktional und kundenfreundlich“ geworden. Wilhelm Flattich nimmt den Innsbrucker Plan als Vorbild für den Wiener Südbahnhof.

Architekt Wilhelm Flattich tüftelt und plant