Applaus für neuen Bahnhof

Eilig arbeitet man in Innsbruck am Rohbau des neuen Bahnhofs, die ÖBB-Granden in Wien planen auch deren Innenleben, und sie denken über eine Verpachtung der Bahnhofsrestauration an die Brüsseler Firma Wagons-Lits-Cook nach. Das regt auf! Die TT titelt am 25. Februar 1950 „Entgleisung am Innsbrucker Bahnhof“ und fürchtet um die Qualität der Speisen und die Regionalität und sogar den Abfluss der Gewinne ins Ausland: „Die Bahnhofrestauration ist seit jeher für den Innsbrucker der Begriff eines von einem Einheimischen gut geführten Restaurants.“

Nach sieben Jahren Bauzeit übergeben die ÖBB am 30. April 1956 das neue Bahnhofsgebäude der Öffentlichkeit. Ein schlichter Hauptbahnhof – er besteht aus der Abfahrtshalle mit einer Bahnhofsrestauration im Nordflügel und Betriebsräumen im Südflügel, eine Ankunftshalle bildet den Querflügel. (Quelle: Pawelka)

Das Hauptgebäude, die 16 Meter hohe Abfahrtshalle, erlaubt mit riesigen Glasflächen das „Hereinholen der Berge“. Die Tiroler Tageszeitung befindet, „…dass die Fenster einen freien Ausblick auf die Berge gestatten, wird insbesondere bei den Fremden nicht ohne Wirkung bleiben.“ Das Bauwerk weist Merkmale modern orientierter Verkehrsabläufe auf. Unter dem Schutz eines großen frei tragenden Vordaches schwingen Türen auf und geben den Weg zu acht Kassenschaltern frei. In der westlichen Längsseite befinden sich Geschäftslokale in Kojen – eine etwas gequälte planerische Lösung. Immerhin können sie ihre Produkte in fünf Schaufenstern zum Südtiroler Platz hin präsentieren (Quelle: Pawelka). Unterführungen verbinden Abfahrtshalle und Bahnsteige. Die Restauration liegt auf derselben Höhe wie die Kassenhalle und darf mit ein wenig Eleganz glänzen. Der Abgang von einfahrenden Zügen leitet zur Ankunftshalle. Auch sie führt durch hohe Glasflächen den Blick nach außen. Zum Reisen an sich und den möglichst bequemen Wegen erhöhen folgende Einrichtungen die Kundenzufriedenheit: Bahnhofspostamt, Telefonzellen in der Abfahrtshalle, Kioske, ein Reisebüro, Buffet, Friseur sowie ein Autobuswarteraum. In der Tiroler Tageszeitung vom 30. November 1955 ist zu lesen: „…Von der Halle aus wird man auch direkt die Wasch- und Baderäume erreichen können. Der neue Bahnhof wird nämlich auch mit Wannen- und Brausebädern ausgestattet sein.“

Die Verkehrsdrehscheibe Bahnhof trägt auch soziale Verantwortung. Der erste und über Jahrzehnte europaweit einzige Jugendwarteraum lädt ab 1956 in die warme Stube unterhalb der Schalterhalle, mit Tischen und Bänken noch recht spartanisch eingerichtet. Aus ihm wird später der beliebte Schüler- und Lehrlingstreffpunkt „Pool“.

Auch in Sachen Technik geht der Hauptbahnhof Innsbruck zielstrebig der Moderne entgegen. 1956 eröffnen die ÖBB feierlich die Personenzugtrasse, nehmen das neue Stellwerk 1 in Betrieb und errichten einen vierten Bahnsteig. 1958 geht das Stellwerk 2 mit moderner Gleisbild- und Drucktastentechnik in Betrieb. Das Fahrgastaufkommen wächst jedes Jahr – das Wirtschaftswunder macht auch der Bahn Beine: am 13. Oktober 1958 jubelt die Tiroler Tageszeitung: „Innsbruck übertraf Wiener Westbahnhof“ und weiter: „…am 31. August musste der Schnellzug D161 von München nach Ancona in fünf Teilen gefahren werden, von denen jeder Teil das Ausmaß eines normalen internationalen Schnellzuges hatte. Die ältesten Eisenbahner können sich nicht erinnern, daß jemals der Andrang an Fahrgästen zu einer ähnlichen Notwendigkeit gezwungen hätte…. In den Monaten Juni bis August legten die Streckenlokomotiven die imponierende Entfernung von 3,653.089 Kilometern zurück. Das entspricht der zehnfachen Entfernung der Erde zum Mond.“ (Quelle: TT)

 

Applaus für neuen Bahnhof